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AutorenbildHelmut Geiselhart

Moderne Chefs müssen empathisch sein

Die digitalisierte Welt ist eine hochkomplexe Welt, die viel Einfühlungsvermögen erfordert. Empathie ist das Zauberwort. Wie kommt es, dass lieber gepöbelt wird, als dass man höflich miteinander umgeht?

Bei Veröffentlichungen und anschließenden Diskussionen kommt es zu persönlichen Beleidigungen und herabsetzenden Angriffen. Es zählt nicht mehr der zwanglose Zwang des besseren Argumentes.


Wer weiß schon, warum heute eher gepöbelt wird statt höflich zu sein?


Jedenfalls erinnern diese Erscheinungen an die Wutanfälle eines Kleinkindes, dessen Bedürfnisse nicht befriedigt werden, das nicht in der Lage ist, sich zu wehren außer durch Wutgeschrei und Strampeln.


Ein Kleinkind versteht seine Beziehung zu den Menschen, die für ihn da sind, als Bedürfnisbefriedigung. Die anderen sind dazu da, seine Bedürfnisse zu befriedigen, sonst kann das Kleinkind nicht überleben.


Manche Menschen halten an dieser Einstellung fest: Andere sind dazu da, dafür zu sorgen, dass es mir gut geht. Andernfalls beschwere ich mich und werde wütend auf die Welt, die einfach nicht bedingungslos für mich da ist. Für erwachsene Menschen ist die Welt aber nicht mehr ohne Bedingungen. Doch an der Wut darüber halten manche sich fest.


Auf dem Weg der Sphinx


Die Sphinx ist ein Kunstwerk, das ausdrückt, wie der Mensch sich aus der Tierwelt, dem Reich der Instinkte, Triebe und heftigen Gefühlen herausarbeitet und übergeht in die Welt des Geistes, der Kultur und der schönen Dinge. Dieser Weg ist mühsam. Noch immer wird aufgefressen, wer die Bedingungen der Sphinx nicht erfüllt.


An unreifen Verhaltensmustern festzuhalten und auf archaischen Entwicklungsstufen stehen zu bleiben – so könnte man diesen Trend zum Ungehobelten erklären.

Aber was machen wir damit?


Die digitalisierte Welt ist eine hochkomplexe Welt, die viel Einfühlungsvermögen erfordert. Empathie ist das Zauberwort. Es ist die Fähigkeit, von sich wegzugehen, sich in den anderen hineinzuversetzen. Zu denken, wie er denkt, zu fühlen, wie er fühlt – verstehen wollen, was den anderen bewegt. Wer zu sehr auf die eigenen Bedürfnisse fixiert ist, der kann diesen Weg nicht gehen.


Zwischen Abteilungen, zwischen Kunden und Lieferanten und zwischen verschiedenen Unternehmen findet Zusammenarbeit immer mehr in Form von Projekten statt. Ein Projektleiter kann nicht von blinden Trieben und wilden Gefühlen beherrscht werden. Er muss vermitteln, für Ausgleich sorgen und versöhnen können. Er muss als moralische Instanz angesehen sein, vertrauenswürdig sein und als Anwalt aller Interessengruppen gelten.


Führung muss in der Lage sein, Meetings zu leiten


Auch die Führungsaufgabe nimmt andere Formen an. Doch nicht überall, denn manche haben es noch nicht verstanden, obwohl die Unternehmen, für die sie Verantwortung tragen, dadurch großen Schaden nehmen.


Der Kapitän auf der Brücke und der Feldherr auf dem Hügel sind nicht mehr hilfreiche Metaphern. Führung muss in der Lage sein, Meetings zu leiten, die zu Entscheidungen führen, die Spannungen auszuräumen und die Mitarbeiter für strategische Ziele zu gewinnen.


Dazu brauchen Vorgesetzte Sachverstand, Wissen um Gruppenprozesse und Kenntnis systemischer Zusammenhänge. Vor allem aber muss er oder sie ein Mensch sein mit eigener Orientierung in der Welt und kritikfähig, das heißt: bereit, über sich selbst kritisch nachzudenken.


Angesichts unserer digitalisierten Welt, helfen uns Menschen mit frühkindlichen Verhaltensmustern auf archaischen Entwicklungsstufen nicht weiter. Wir brauchen Menschen, die vertrauenswürdig und integrationsfähig sind.


Hilfreich ist auch, sich auf die Grundlage unserer abendländischen Kultur zu besinnen. Die Bibel beschreibt als Bild des Menschen seine Gottebenbildlichkeit, das heißt, wenn du etwas über Gott wissen willst, dann betrachte den Menschen. Eine größere Wertschätzung ist nicht auszudrücken.


An anderer Stelle heißt es: „Was du einem der geringsten meiner Brüder und Schwestern getan hast, das hast du mir getan; was du einem der geringsten meiner Brüder und Schwestern nicht getan hast, das hast du mir nicht getan.“ Das heißt, es gibt keinen Weg zu Gott außer über den Menschen.


Er verdient unsere höchste Wertschätzung und unseren Respekt. Dann könnten unsere jüdischen Mitbürger wieder ohne Sorge ihre Kippa tragen.


Der Autor ist Gründer seines eigenen Instituts „Geiselhart Seminare" und BILANZ-Kolumnist.

Dieser Artikel wurde ursprünglich am 19.07.19 auf Bilanz veröffentlicht.

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